Flüssiges Gold – Eine Reise durch Japans Whisky-Destillerien
Sep 11, 2025
Whisky aus Japan hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten von einem Geheimtipp für Kenner zu einem internationalen Prestigeprodukt entwickelt. Während schottische Traditionen zwar als Grundlage dienten, hat sich in Japan eine ganz eigene Whisky-Kultur entfaltet. Geprägt von Handwerkskunst, Respekt vor der Natur und einem Hang zur Perfektion gibt es seit 2015 einen wahren Boom auf japanischen Whisky. Und das zu Recht! Denn japanischer Whisky ist überaus rund und weich, gleichzeitig aber auch komplex und intensiv. Was die traditionellen Hersteller anderer Whisky-Nationen sich in Jahrhunderten an Wissen aufgebaut haben, gleichen die Japaner mit besonders viel Fleiß und mit Liebe zur Präzision aus. Zudem sind die klimatischen Voraussetzungen für die Herstellung von Whisky in Japan besonders gut. Japanisches Grundwasser hat einen subtilen und reinen Charakter. Zudem ist das hohe Temperaturgefälle zwischen Sommer und Winter in Japan hilfreich für die Whisky-Produktion. Deshalb erreichen die Japaner in sechs bis acht Jahren die gleiche Reife, wofür andere Länder zehn bis zwölf Jahre brauchen. Viele Produktionsstätten der bekanntesten und spannendsten Hersteller des Landes können natürlich auch besucht werden. Von Pionieren wie Yamazaki bis zu jungen Wilden wie Chichibu oder Shizuoka ist ein Besuch interessant und meist auch mit lohnenswerten Kostproben verbunden.

Yamazaki Distillery: Wiege des japanischen Whiskys
Die Yamazaki Distillery nahe Osaka ist die älteste Whiskybrennerei Japans. Sie wurde 1923 von Shinjiro Torii, dem Gründer von Suntory, eröffnet und markiert den Beginn der japanischen Whiskyproduktion. Torii holte Masataka Taketsuru, der in Schottland das Handwerk gelernt hatte, als ersten Brennmeister in das Haus. Dieser gründete kurze Zeit später den heutigen Whisky-Giganten Nikka. Berühmt ist Yamazaki für die Vielzahl an Brennblasen in unterschiedlichen Formen und Größen, die es ermöglichen, ein besonders breites Spektrum an Aromen zu kreieren. Das Wasser der Region, das aus der Vereinigung dreier Flüsse stammt, gilt als außergewöhnlich rein und weich. Der Stil von Yamazaki-Whiskys ist elegant, floral und komplex und spiegelt die japanische Philosophie wider, Whisky als Kunstform zu begreifen. Für Besucher ist die Destillerie gut zugänglich. Sie bietet regelmäßig Führungen mit Verkostungen an, die meist täglich außer an Feiertagen zwischen 10:00 und 16:45 Uhr stattfinden. Eine vorherige Online-Reservierung ist unbedingt erforderlich, da die Nachfrage sehr hoch ist. Es gibt auch ein Verlosungssystem für spezielle Führungen wie die „Manufacturing Tour Prestige“.

Hakushu Distillery: Whisky aus den japanischen Alpen
Die Hakushu Distillery wurde 1973 in den südlichen japanischen Alpen gegründet und liegt mitten in einem riesigen Wald- und Naturschutzgebiet. So grün wie die wunderschönen Hakushu-Whiskyflaschen ist auch die malerische Umgebung der Destillerie. Auf 700 Metern Höhe gelegen, profitiert sie vom reinen Bergquellwasser, das ihren Whiskys eine besonders frische und klare Stilistik verleiht. Die Abfüllungen von Hakushu sind bekannt für ihre „grünen“, fruchtigen und leicht rauchigen Noten, die einen spannenden Kontrast zu den floralen Whiskys von Yamazaki darstellen. Besucher können hier in die Welt des Whiskys eintauchen und das idyllische Waldumfeld genießen. Das Besucherzentrum ist in der Regel von 9:30 bis 16:30 Uhr geöffnet, montags oft geschlossen. Auch hier empfiehlt sich eine rechtzeitige Reservierung für Führungen und Verkostungen.

Hombo Shuzo: Tradition aus dem Süden und den japanischen Zentralalpen
Hombo Shuzo ist der drittgrößte Player auf Japans Whisky-Markt. Im Land auch weitläufig bekannt für die Produktion von Japans Traditions-Spirituose Shochu, widmet sich Hombo seit den 1980er Jahren auch dem Whisky, und das an gleich mehreren Standorten. Die Mars Shinshu Distillery liegt hoch in den japanischen Alpen auf etwa 800 Metern Höhe und ist damit die höchstgelegene Whiskybrennerei des Landes. Hier entstehen eher elegante und klare Whiskys. Ganz anders verhält es sich in der Tsunuki Distillery in Kagoshima im Süden Japans, wo das warme, maritime Klima kräftigere und fruchtigere Abfüllungen hervorbringt. Diese Vielfalt an Standorten erlaubt es Hombo Shuzo, eine große Bandbreite an Stilen anzubieten. Besucher sind sowohl in Shinshu als auch in Tsunuki willkommen. In Shinshu ist die Destillerie meist täglich von 9:00 bis 16:00 Uhr geöffnet, während in Tsunuki kleinere Besucherzahlen üblich sind und Besichtigungen meist nur vormittags oder nach Voranmeldung möglich sind.

Kanosuke Distillery – Jung, modern und ambitioniert
Die Kanosuke Distillery in Kagoshima wurde 2017 eröffnet und zählt heute zu den spannendsten neuen Projekten in der japanischen Whiskywelt, auch als Teil der „Craft-Whisky-Bewegung“ bekannt. Erfahrung in der Herstellung von Alkohol hat das Unternehmen allerdings seit über 150 Jahren durch die Produktion von Shochu. Direkt am Meer gelegen, profitiert die Destillerie vom milden, maritimen Klima, das den Whiskys eine feine salzige Note verleiht. Charakteristisch für Kanosuke sind die drei unterschiedlich großen Pot Stills, die eine außergewöhnliche Geschmacksvielfalt ermöglichen. Experimentierfreude prägt die Philosophie der Brennerei – von der Auswahl verschiedener Fässer bis hin zu innovativen Produktionsmethoden. Besucher haben die Möglichkeit, die moderne Architektur und die Produktion hautnah zu erleben. Die Destillerie ist in der Regel von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet, Führungen und Verkostungen sind nach Voranmeldung buchbar.
Sakurao Distillery – Whisky mit maritimem Charakter
Die Sakurao Distillery in der Präfektur Hiroshima ist noch jung, sie wurde 2018 gegründet. Allerdings hat auch dieses Unternehmen seit über 100 Jahren Erfahrung in der Produktion von alkoholischen Getränken wie Shochu und Sake. Die Destillerie ist direkt am Seto-Binnenmeer gelegen, und dieses maritime Umfeld prägt die Reifung der Whiskys. Neben Whisky wird in Sakurao auch Gin destilliert, was für eine spannende aromatische Vielfalt sorgt. Die Lagerung der Whiskys erfolgt an einem ganz besonderen Ort: Der niemals fertig gewordenen, 361 Meter lange Eisenbahntunnel der Stadt dient zur Lagerung der edlen Tropfen. Hier herrscht das ganze Jahr über eine Temperatur von 14 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 80%, ideale Voraussetzungen für das Reifen von Shochu und Whisky. Besucher können sich auf eine moderne Destille freuen. Führungen sind multimedial aufbereitet und bieten einen Einblick in Produktion und Geschichte. Die Destillerie ist in der Regel von 9:00 bis 17:00 Uhr geöffnet, Touren finden zu festen Zeiten statt und sollten im Voraus gebucht werden.
Chichibu – Die Kult-Destillerie
Kaum eine japanische Brennerei hat in so kurzer Zeit internationalen Kultstatus erreicht wie Chichibu. Gegründet 2008 von Ichiro Akuto, einem Enkel einer traditionsreichen Sake-Brauerfamilie, erfolgt die Produktion weitgehend in Handarbeit und in kleinem Maßstab. Chichibu setzt auf lokale Gerste und experimentiert mit japanischer Mizunara-Eiche für die Fassreifung. Besonders gefragt sind die Single-Cask-Abfüllungen, die bei Sammlern weltweit heiß begehrt sind. Trotz ihres jungen Alters haben die Whiskys von Chichibu eine überraschende Reife und Tiefe. Für Besucher ist der Zugang stark eingeschränkt. Reguläre Führungen gibt es nicht, lediglich zu seltenen Veranstaltungen oder exklusiven Tasting-Events öffnen sich die Türen. Eine Anmeldung ist in jedem Fall zwingend erforderlich. Immer im Februar gibt es den Chichibu Whisky Matsuri, ein Whisky-Fest, bei dem man die besonderen Abfüllungen probieren kann.

Shizuoka – Whisky zwischen Bergen und Küste
Die Shizuoka Distillery wurde 2016 gegründet und liegt in einer der landschaftlich schönsten Regionen Japans, eingebettet zwischen Bergen und Flüssen, mit Blick auf den majestätischen Mount Fuji. Nachhaltigkeit ist ein zentrales Anliegen, weshalb die Brennblasen teilweise noch traditionell mit Holz befeuert werden. Eine der Pot Stills stammt sogar aus der legendären Karuizawa Distillery, die seit vielen Jahren geschlossen ist – ein Stück Whiskygeschichte lebt hier quasi weiter. Die Whiskys von Shizuoka verbinden fruchtige Frische mit einer erdigen Tiefe, die das Terroir der Region widerspiegelt. Auch diese Destillerie ist Teil der neuen Whisky-Craft-Bewegung Japans. Für Besucher bietet Shizuoka Führungen nach Voranmeldung an, die Gruppengröße ist dabei begrenzt. Die Destillerie ist in der Regel zwischen 10:00 und 16:00 Uhr zugänglich.
Nikka Whisky – Miyagikyo und Yoichi
Nikka Whisky ist einer der beiden Top-Player auf dem japanischen Whisky-Markt. Das Unternehmen wurde von Masataka Taketsuru gegründet, dem Mann, der in Schottland das Brennerhandwerk erlernte und als einer der Väter des japanischen Whiskys gilt. Nikka betreibt zwei große Destillerien, die beide unterschiedlicher kaum sein könnten. Die Yoichi Distillery liegt auf Hokkaido, unweit der Küste, und ist geprägt von einem rauen, meist kaltem, maritimen Klima. Hier entstehen kräftige, torfige Whiskys, die bewusst an schottische Vorbilder erinnern. In Yoichi werden die Brennblasen sogar noch mit Kohlefeuer befeuert – eine Seltenheit in der modernen Whiskyproduktion, die dem Destillat zusätzliche Tiefe verleiht. Ganz anders präsentiert sich die Miyagikyo Distillery, die in einem grünen Tal in der Präfektur Miyagi angesiedelt ist. Hier werden fruchtigere und elegantere Whiskys hergestellt, die das klare Wasser und die milde Luft der Region widerspiegeln. Für Besucher sind beide Standorte ein Erlebnis. Yoichi empfängt Gäste in einem malerischen Gelände mit historischen Gebäuden und ist meist täglich von 9:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Auch Miyagikyo bietet ein Besucherzentrum, Führungen und Verkostungen, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Eine Voranmeldung ist in beiden Destillerien ratsam, da die Nachfrage groß ist.

Vielfalt im Glas und auf Reisen
Die japanische Whiskywelt ist heute so vielfältig wie nie zuvor. Von den Traditionshäusern Yamazaki und Hakushu über die vielseitigen Standorte von Hombo Shuzo bis zu den innovativen Newcomern wie Kanosuke, Sakurao, Chichibu und Shizuoka zeigt sich ein Land, das Whisky nicht nur als Getränk, sondern als kulturelle Ausdrucksform versteht. Reinheit, Naturverbundenheit und Detailverliebtheit prägen jeden Tropfen. Für Reisende, die Japan besuchen, sind viele Destillerien zugänglich – von großen Besucherzentren mit multimedialen Führungen bis hin zu exklusiven, kleinen Tasting-Events. Wer Whisky liebt, findet hier nicht nur spannende Aromen, sondern auch ein authentisches Erlebnis japanischer Gastfreundschaft. Ob man sich für die elegante Raffinesse eines Yamazaki, die frische Klarheit eines Hakushu oder die handwerkliche Leidenschaft eines Chichibu entscheidet – japanischer Whisky erzählt immer auch eine Geschichte von Landschaft, Klima und Menschen. Und genau das macht ihn so einzigartig.
